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Geschichte für W.

 

So war da eine junge Frau. 

Sie bestellte wie alle die anderen auch ihren Acker. 

Sie arbeitete hart, tief gebückt über der Erde. Und während sie so arbeitete, konnte sie aus den Augenwinkel heraus, wie die anderen auch, etwas seltsames wahrnehmen.

 

Auf der Wiese neben dem Acker; es war mehr eine Lichtung als eine Wiese, denn sie war von drei Seiten von einem schönen sanften Wald umgeben. Auf diesem Wiesenstück lies sich immer wieder seltsames schauen. 

Es war ein Leuchten, ein sanftes Pulsieren.

Es zog die Aufmerksamkeit der Frau immer stärker an.

Die Anderen vermieden es, dieses nicht zu beschreibende Geschehen zu beachten. Die taten bald überhaupt so als gäbe es da gar nichts zu sehen.

Die junge Frau hielt in ihrer Arbeit immer öfter inne und schaute versunken in diese helle Ferne.

Die anderen machten bald einen Bogen um sie. Es war ihnen nicht recht, dass sie statt weiterzuarbeiten, aufrecht auf dem Acker stand und entrückt in dieses Nichts sah.

 

Es war die Zeit der Ernte gekommen.

Und die Kartoffel wurden ausgegraben und eingesammelt.  Der Vorrat für den Winter. Überlebensnotwendig für die harte Zeit.

Einer nach dem anderen verlies, seine vollen Säcke schleppend, den Acker.

Die junge Frau blieb am Wiesenrand stehen und starrte in die pulsierende Helligkeit. Sie sah, dass es ein Tor aus Licht war. Lockend und beängstigend zugleich.

Das Licht spiegelte sich in ihren reinen Augen. Sehnsucht brannte in ihrem Herzen.

Sie wusste, um dahin gehen zukönnen, musste sie ihren Sack Kartoffeln stehen lassen, den ganzen Vorrat für den Winter. Und ihre derben Schuhe müsste sie ausziehen. Es waren gute Schuhe, sie waren fest und warm und würden noch so manchen Winter überstehen.

Lange Zeit stand die junge Frau da und wartete, wusste nicht was sie tun sollte, spürte die Sehnsucht und die Angst vor dem Unbekannten.

Zögernd zog sie die Schuhe aus, stellte den Kartoffelsack daneben. Es würde beides gefunden werden von jemandem, der es gut brauchen könnte.

Eine Kartoffel hielt sie noch in der Hand.  Sie betrachtete sie liebevoll  und legte sie in den Sack zu den anderen.

Sie wusste,  ihre Hände müssten leer sein, beim Eintritt ins Portal.

Langsam drehte sie sich zum Acker um und hob  die Arme. 

Sie segnete  den Acker, der Wald. 

Sie segnete den Kartoffelsack, die Schuhe.

Sie bedankte sich bei der Erde.

 

Dann trat sie ein ins Licht. 

Lange blieb stehen an der Schwelle unter dem Torbogen, mitten in der Helligkeit. Sie musste sich langsam an das Strahlen gewöhnen, an die klingende Stille und die hohen hellen  Bögen des Raumes, der sich in pulsierender Weite auflöste.

„Willkommen zuhause!“

Sie fühlte den Gruß und wunderschöne Gesänge fingen sie gleichsam auf. Licht strömte auf sie, durch sie und das Tor schloss sich hinter ihr.

Das Licht löste ihre Kleider, ihre Ängste und den letzten Schmerz in ihren Herzen.

„Willkommen, in deinem wahren Tempel!“

Niemand war da und doch war sie nicht allein. Es war ein Schwingen und Tönen. Freude erfüllte ihr Herz und sie fühlte wie jede Faser ihres Leibes von Licht und Liebe durchströmt wurde.

Zeitlosigkeit war um sie und in ihr.

Sie stand im Tor bis es gut war weiterzugehen.

 

Und als sie den ersten Schritt machte, da erschien ihre geliebte Mutter.

Mit offenen Armen ging die junge Frau auf die Mutter zu, sie nahm sie an ihr Herz. Sie nahm sie in sich auf. Und ging weiter.

Da kam die Priesterin. 

Sie ging auf sie zu, nahm sie in sich auf und ging weiter.

Sie sah die alte Weise, die Heilerin... 

Sie ging auf sie zu, nahm sie in sich auf und ging weiter.

Die Träumende aus dem Tempel...

Das Mädchen...

Die Göttin...

   

Und weiter ging sie. Tiefer in den nächsten Raum.

Da kam der Geliebte auf sie zu... 

Mit offenem Herzen nahm sie ihn in sich auf und ging weiter.

Der Vater...

Der Heiler...

Der Magier...

Der Priester...

Sie nahm sie alle in ihr Herz.

Und ging weiter.

     

Und dann kam sie zum Geist hinter allem, zur Quelle der Liebe.

Und sie sagte: “Sieh, hier bin ich!“

Und das Namenlose sagt zu ihr, -

Nein keine Worte, es sprach in unbeschreiblich schönen Lichtschwingungen, sie fühlte es mit ihren ganzen Sein. Und sie nahm es in sich auf und ging weiter.

Und so war das ganze Universum in ihr und alles Geschaffene.

Sie breitete die Arme weit aus und aus ihrem Herzen begann sich eine Spirale zu drehen, ein neues, ein rauschendes Universum breitete sich aus, voll überschäumender Freude.

 

Und da kam aus der Endlosigkeit  das Herz eines anderen Universums auf sie zu.

Es nahm sie in sich auf.

Und unbeschreiblich Freude herrschte.

Über all das was ist.

 

 

 

©1994 Walburga Rauchenwald

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