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Auf dem Sofa sitzt sie, bei keltischer Musik.

Aus der Tiefe steigt ein leises Echo empor.

Auf dem Sofa sitzt sie.

Und weint.

 

Am Ufer eines großen Moores saß sie.

Klein und zart, mit tränenblinden Augen.

Die letzte von Acht, einsam zurückgeblieben.

 

Die zarten, wilden, sanften, lieben Schwestern, Seelen,

sie gingen übers Moor, eine nach der anderen und

kamen nie wieder.

Jede von ihnen wusste, wann es Zeit war zu gehen.

 

Sprang auf die Erste, lachend;

drehte sich im Kreis

die Röcke bauschten sich,

eine Lust sie anzusehen.

Und in großen Schritten war sie auf und davon.

 

Kaum fehlte sie im fröhliche Treiben der anderen.

 

Still hielt  inne die Zweite,

blickte sanft in die Runde

und lächelte und ging.

Alle schauten ihr nach, wie sie im zarten Licht verschwand.

 

Doch ging es weiter wie zuvor,

fünf lachende Seelen,

Wesen zart und prachtvoll wie ein Sommermorgen,

zähe kleine Elfen, sich selbst genug

und voll Hingabe an das Leben der Natur.

 

Als die Dritte den Ruf hörte,

seufzten die anderen zum ersten Mal leise auf.

Eine Ahnung von Wehmut

lies sich nieder im Kreis der fünf,

die zurückgeblieben

sich näherrückten im Spiel,

im Sein.

 

Die Vierte stand auf aus einem Traum

und die Nacht über dem Moor nahm sie mit.

Am Morgen war es kühl und vier kleine, zarte Wesen froren.

Noch nie war ihnen Kälte bis ins Herz gekrochen.

Noch nie fühlten sie die Angst vor dem,

was Unbekannt

auf sie wartete.

 

 

Und die Frau auf dem Sofa weinte,

die Tränen flossen, tief und dunkel war der Schmerz.

Sie stand auf und begann zu tanzen.

Weiche, weite Bewegungen und  Trauer über die Einsamkeit.

Und keine Stimme, keine heißersehnte, geliebte, berührte ihr Innerstes.

Wo waren die Schwestern, wo sind die Sieben, die gingen ohne sie mitzunehmen.

Wo haben sie vergessen auf mich zu warten. Wo bin ich den falschen Weg gegangen. Wo habe ich sie verloren. Wann endet der Schmerz und die Suche.

Und tanzend weinte sie und es schmolz die Einsamkeit

und die Enge ums Herz wurde  leichter,

die Kälte wich und die Trauer wurde warm und tröstlich.

 

 

Als die Nächste aufbrach,

streckten die Schwestern die Arme aus und stumm baten sie: "Bleib!"

Die Augen niedergeschlagen, mit gesenktem Kopf erhob sich die

Fünfte und mit zögernden Schritten ging sie langsam auf

auf das schimmernde Moor zu.

Lange noch saßen die anderen

und still war es zwischen ihnen.

Nichts war mehr wie zuvor.

Verstohlen beobachteten sie sich, voll Unruh suchten sie

nach Hinweisen, Zeichen.

Still sind sie geworden, und der Verlust

machte ihre Herzen schwer.

 

Als die Sechste den Ruf vernahm,

kam er wie eine Erlösung für sie.

Es war richtig zu gehen,

aber sie wusste um den Trennungsschmerz,

sie zögerte und doch spürten alle den nächsten Abschied.

... so weinten sie zum ersten Mal.

 

Nie zuvor in ihrem Leben war es so gewesen.

Nie hatten sie je das Bedürfnis Widerstand zu leisten,

sich dem Ruf zu verweigern.

 

Als die Sechste im Moor verschwunden war

hielten sich zwei zitternde Sommerwesen fest

und fürchteten die Zeit.

Sie sahen sich in die Augen und ahnten im Spiegel

ihrer Seelen unermessliches Leid, Einsamkeit und Sehnsucht.

Und so versprachen sie sich,

wer immer auch als nächste zu gehen dran war,

die andere mitzunehmen

denn die Ahnung vom Alleinsein

nahm ihnen fast den Atem.

 

So hielten sie sich, wiegten sich im Schlaf und

vergaßen fast das Leben über der Angst.

 

Und dann war es soweit.

Die Siebente spürte das Klopfen in ihrem Herzen,

das Rufen und Ziehen, die Unruhe.

Und so sprach sie: "Komm, es ruft mich! 

Komm, ich muss gehen!"

Und sie gingen Hand in Hand auf das Moor zu.

Die eine fühlte sich gezogen, getragen fast

und leicht wurde ihr Schritt.

So leicht es ihr wurde auf dem Weg,

so schwer wurde es für die Achte.

Kaum konnte sie ihre Füße heben

und mit jedem Schritt den sie tat, sank sie tiefer ins Moor.

Und angstvoll klammerte sie sich an die Schwester,

die immer lichter, immer leichter, kaum mehr zu halten war.

Ein sanfter Wind  entwehte sie,

wie ein Sommerblütenblatt.

"Bald, bald... " und sie war fort.

 

Stumm und fassungslos stand die Achte

bis fast zu den Knien im Moor und erstarrt  im Schmerz,

fühlte sie unendliche Sehnsucht,

nie gekanntes Heimweh rollte durch ihr Wesen.

 

Tag für Tag saß sie jetzt am Rande des Moores

und wartete auf den Ruf.

Doch es blieb still.

Kein Klopfen, kein Ziehen, Stille.

Unerträgliche Leere.

 

Nach endlos trüben, stummen Tagen

brach die Verzweiflung an die Oberfläche

und sie begann, die Schwestern zu rufen,

klagend erst, dann voll Zorn

stampfend vor Wut,

bis zur Erschöpfung.

 

Ging am Rande des Moores auf und ab

und ihre Klagen wurden Gesang, schmelzendes Bitten,

flehendes Rufen, seelenvolles Weinen,

berührend perlender Gesang

von Liebe, Sehnsucht, Verlust,

Einsamkeit und Hingabe.

Und die Welt hörte ihre Lieder und wurde still.

 

So sang das lockige Wesen, weinend tanzte es

und ihr Schmerz berührte alles was ist.

 

Und weit  wurde ihr das Herz im Gesang.

Und sie wuchs durch den Tanz

bis alle Welt in ihr Platz hatte.

 

Und so hörte sie endlich den Ruf,

denn ihre Aufgabe war es

alles mitzunehmen,

was berührt durch tiefe

Liebe und Mitgefühl,

bereit war

heimzukehren

zur Quelle

von

allem

was

ist.

 

©1999 Walburga Rauchenwald

 

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